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Montag, 30. September 2013

Die letzten Meter aus dem Wasserhahn


Legionella pneumophila und Pseudomonas aeruginosa können sich in vorhandene Trinkwasser-Biofilme einnisten und in stagnierendes Trinkwasser ausgetragen werden


Werden fakultativ pathogene Bakterien in eine Trinkwasser-Installation eingetragen, so kann es unabhängig von Werkstoffqualität, Werkstoffalter,
Wasserbeschaffenheit und Temperatur zur Einnistung dieser Organismen in vorhandene Trinkwasserbiofilme kommen. Die Organismen persistieren dort über Wochen bis Monate in kaltem und erwärmtem Trinkwasser. Unter günstigen Umgebungsbedingungen ist auch eine Vermehrung möglich. Durch die Freisetzung aus den Biofilmen gelangen sie in das Trinkwasser, so dass Biofilme eine Kontaminationsquelle und somit eine potentielle Infektionsquelle darstellen. Zu den fakultativ pathogenen Bakterien von medizinisch-hygienischer Bedeutung, die in der Praxis in Biofilmen der Trinkwasser-Installation nachgewiesen wurden, gehören L. pneumophila und P. aeruginosa.
Die Ergebnisse der halbtechnischen Versuchsanlage zeigten, dass sich L. pneumophila in Trinkwasser-Biofilme einnistete, besonders bei erhöhten
Temperaturen, unabhängig von der Werkstoffqualität oder der Wasserbeschaffenheit. Eine Vermehrung fand besonders dann statt, wenn Amöben als Wirte für die intrazelluläre Vermehrung zur Verfügung standen, und wenn sehr dichte, aktive (wachsende) Biofilme vorlagen. Unter diesen Bedingungen ist grundsätzlich zu erwarten, dass Legionellen aus dem Biofilm freigesetzt und in das Trinkwasser ausgetragen werden. Die Konzentrationen an L. pneumophila in den Trinkwasserproben (gemäß DIN EN ISO 19458 „Analyse der Wasser-Beschaffenheit an einer Entnahme-Armatur im Haushalt“ (Zweck b)) können bei allen Werkstoffen über dem technischen Maßnahmewert von 100 KBE/100 mL gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 551 liegen. Auch in den Biofilmen, die sich im Kaltwasser (12 °C bis 15 °C) entwickeln, konnte L. pneumophila mit den kulturellen Standarduntersuchungsverfahren (ISO 11731) sporadisch nachgewiesen werden. Die Konzentration von L. pneumophila im Biofilm ist abhängig von der Besiedlungsdichte. Werkstoffe, auf denen sich viel Biofilm bildet und sich viele Amöben
entwickeln (z.B. EPDM-Werkstoffe ohne Empfehlung nach DVGW-Arbeitsblatt W 270), bieten das Potential für sehr hohe Konzentrationen an L. pneumophila.
Hohe L. pneumophila-Konzentrationen im Biofilm führen zu hohen Konzentrationen im stagnierenden Trinkwasser. Die Temperatur spielt für die Vermehrung von L. pneumophila eine entscheidende Rolle. Daher ist darauf zu achten, dass Warmwasseranlagen dem Stand des DVGW-Arbeitsblattes W 551 entsprechen. Aber auch Kaltwasseranlagen können, wie im Rahmen des Verbundvorhabens durchgeführte experimentelle Untersuchungen sowie die bundesweite Erhebung und Risikoanalyse bestätigt haben, mit L. pneumophila kontaminiert sein und müssen daher bei Sanierungen von L. pneumophila Kontaminationsfällen bei der Gefährdungsanalyse mit berücksichtigt werden.

Auch P. aeruginosa nistet sich in Biofilme auf allen neuen und gealterten Werkstoffen der Trinkwasser-Installation ein und kann das umgebende stagnierende Wasser durch Freisetzung aus den Biofilmen kontaminieren. Die Dauer der Persistenz sowie die Konzentration der kulturell nachweisbaren P. aeruginosa können zwischen den einzelnen Werkstoffen variieren.
Eine neue Erkenntnis des Projektes ist, dass L. pneumophila und P. aeruginosa in Biofilmen auf Werkstoffen der Trinkwasser-Installation außer in kultivierbarer Form auch in einem nicht-kultivierbaren Zustand vorliegen können. In diesem als VBNC („viable-but-nonculturable“, siehe Glossar) bezeichneten Zustand sind die Bakterien auf üblichen Nährmedien nicht mehr anzüchtbar, obwohl sie lebensfähig sind. VBNC-Bakterien lassen sich mit kultivierungsunabhängigen Verfahren nachweisen. Bewährt haben sich Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) unter Verwendung gattungs- bzw. artspezifischer Gensonden und PCRbasierte Methoden.

Sowohl auf neuen als auch auf gealterten Werkstoffen war die Konzentration von P. aeruginosa, die mit der FISH-Methode bestimmt wurde, höher als jene, die kulturell bestimmt wurde. Gleiches gilt auch im Fall der Einnistung von L. pneumophila in Trinkwasserbiofilme. Während die Konzentration der kultivierbaren Zielorganismen schwankte, blieb die Konzentration der FISH-positiven Zielorganismen über den untersuchten Zeitraum relativ konstant. Dies lässt den Schluss zu, dass sich ein Teil der Zielorganismen im Biofilm in einem VBNC-Zustand befand. Darüber hinaus deutet es darauf hin, dass sich der physiologische Zustand der Bakterien im Biofilm durch eine Vielzahl komplexer Prozesse ändern kann. Dazu gehört die Wechselwirkung mit anderen Bakterien und Protozoen, die Änderung der Temperatur oder des Nährstoffgehalts. Daraus wiederum würden sich schwankende Befunde bei mikrobiologischen Routine- und Kontrolluntersuchungen von Trinkwasser-Installationen schlüssig erklären.

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